Weiberfastnacht – oder verkehrte Welt?

28.02.2019  — Markus Hiersche.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Alaaf, Helau, Narri Narro! – mit der heutigen „Weiberfastnacht“ beginnt die heiße Phase der närrischen fünften Jahreszeit. Doch wie ist es um den „Altweiberfasching“ aus Sicht der Gleichstellung von Mann und Frau bestellt? Ein Kommentar.

Frauen übernehmen die Macht

„Weiberfastnacht“: Immer am Donnerstag vor Rosenmontag stürmen Frauen die Rathäuser, schneiden ihrem Chef die Krawatte ab und übernehmen so symbolisch für einen Tag die Macht. Doch Vorsicht! Darf man – Tradition hin oder her – „Weiberfastnacht“ überhaupt noch sagen? Schließlich ist „Weiber“ in unseren heutigen Ohren ein ziemlich abwertender Begriff, mit dem vor allem Chauvinisten Frauen in trauter Männerrunde belegen.

Auf Nachfrage der WELT sieht das die Sprecherin des Festkomitees Kölner Karneval, Tanja Holthaus, ganz und gar unproblematisch. „Weiberfastnacht“ oder auch „Wieverfastelovend“ sei für Frauen in Köln so etwas wie der höchste Feiertag im Jahr. Es sei deshalb auch noch niemand auf die Idee gekommen, sich über den Begriff zu beschweren.

Tatsächlich ist „Weiberfastnacht“, die regional auch unter der Bezeichnung „Altweiberfasching“, „Weiberdonnerstag“ oder „Unsinniger Donnerstag“ firmiert, seit dem Mittelalter der Tag der umgekehrten Machtverhältnisse: Frauen verweigerten ihren männlichen Familienoberhäuptern den Gehorsam. Selbstverständlich nur für kurze Zeit. Darin lag aber durchaus etwas Emanzipatorisches.

Verkehrte Welt für einen Tag?

Schnell vergessen wird dabei jedoch eines: Letztlich bestätigt die Weiberfastnacht indirekt das vorherrschende gesellschaftliche patriarchale System. Denn wo es eine Ausnahme wie die „Weiberfastnacht“ gibt, gibt es auch eine Regel – und die besagt unausgesprochen, dass Männer an allen anderen Tagen im Jahr die Hosen an haben. Vergleichbar ist dies mit dem Festtag der Saturnalien im antiken Rom. Auch dort wurde für einen Tag die Aufhebung der Standesunterschiede durch scherzhafte Umkehr der Machtverhältnisse gefeiert. Sklaven war es deshalb während der Feierlichkeiten erlaubt, einen Tag über ihre Herren zu bestimmen, wobei selbstverständlich allen Beteiligten klar war, dass dies eine Abweichung vom Normalzustand war. Gleichberechtigung an nur einem Tag ist natürlich keine wirkliche.

Sprachgeschichte: „Weib“ war nicht immer negativ

Doch wie sieht es mit dem Wort „Weib“ aus? Sprachgeschichtlich leitet sich „Weib“ vom Mittelhochdeutschen „wîp“ ab, was völlig wertungslos eine Geschlechtsbezeichnung für alle Frauen war. Unsere heutige Bezeichnung „Frau“ für das weibliche Geschlecht geht dagegen auf das mittelhochdeutsche Wort „frouwe“ zurück, ursprünglich eine Standesbezeichnung, die allein adeligen Damen vorbehalten war. Eine „frouwe“ war im Mittelalter also auch ein „wîp“, aber nicht jedes „wîp“ auch eine „frouwe“. Im Zuge des mittelalterlichen Frauenpreises setzte sich die Anrede „frouwe“ aus Gründen der Schmeichelei langsam aber ebenso für Nicht-Adelige durch. „wîp“ dagegen sank in seiner Bedeutung herab und übernahm die geringschätzige Wertung von „maget“ – Dienerin oder Magd. Bis heute besteht diese semantische Geringschätzung fort. Doch selbst in unseren Tagen gibt es Ausnahmen. Das Adjektiv „weiblich“ gilt heutzutage schließlich nicht als abschätzige Bezeichnung, sondern als wertneutraler Gegenpart zu „männlich“.

Wie mit „Weiberfastnacht“ umgehen?

Darf man „Weiberfastnacht“ also noch sagen? Letztlich ist dies wohl eine Frage der Souveränität: Ja, der Begriff „Weib“ ist negativ behaftet. Doch möglicherweise erhält er – ähnlich wie „weiblich“ – im konkreten kulturgeschichtlichen Kontext, in dem der Karnevalsbrauch steht, eine weniger abwertende Bedeutung.

Kritisch zu betrachten, bleibt die „Weiberfastnacht“ aber selbst dann, wenn sie in „Frauenfastnacht“ umgetauft würde. Es sei denn Frauen würden den Tag zu einem feministischen machen und dafür nutzen, öffentlichkeitswirksam patriarchale Strukturen aufzubrechen und gleichstellungspolitische Forderungen zu artikulieren. Krawattenabschneiden reicht da alleine nicht aus.

Quellen und Hintergründe





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