Frauen, die Geschichte machen: Sojourner Truth

28.06.2019  — Markus Hiersche.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Ein geflügelter Ausspruch besagt: „Männer machen Geschichte“. Dass das zu kurz gegriffen ist, zeigt unsere Reihe „Frauen, die Geschichte machen“. Erleben Sie Frauen, die den Mut hatten, für Ihre Überzeugungen einzutreten – und so die Welt veränderten. Heute: Sojourner Truth (1797-1883).

Mehrfach verkauft und doch ungebrochen

Verkauft für 100 Dollar: Gerade einmal neun Jahre alt war die afroamerikanische Sklaventochter Sojourner Truth, geborene Isabelle Baumfree, als sie ihrer Familie entrissen und auf einer Auktion – zusammen mit einer Herde Schafe – an einen neuen „Herren“ verkauft wurde. In den folgenden Jahren wechselte die spätere Frauen- und Menschenrechtsaktivistin Sojourner zwei weitere Male den Besitz, bis sie letztlich auf dem Gut von John Dumont in New York arbeiten musste. Die Sklaverei war hart und grausam: Mehrfach wurde Sojourner von ihren Besitzern körperlich gezüchtigt. Als sie sich 1815 in Robert, Sklave einer benachbarten Farm, verliebte und von ihm schwanger wurde, verbot Roberts Besitzer eine Heirat: Schließlich wären alle Kinder dieser Ehe nach damaliger Vorstellung Eigentum des Besitzers der Mutter. Einen Vorteil wollte er seinem Konkurrenten nicht verschaffen. Für das Paar hatte das fatale Folgen. Es sah sich nach dieser Entscheidung nie wieder. Stattdessen zwang Dumont Sojourner nun einen Sklaven der eigenen Farm zu ehelichen. Drei Kinder gingen aus dieser Zwangsehe hervor.

Doch Sojourner verlor nicht den Mut, denn ab Ende des 18. Jahrhunderts kündigte sich in den USA langsam ein Wandel an. Sklaverei geriet – zumindest in einigen Teilen des Landes – zunehmend in Verruf und wurde als das angesehen, was es ist: menschenverachtend. 1799 wurde in New York deshalb die Sklaverei offiziell abgeschafft. Tatsächlich endete sie aber erst nach einer Übergangsfrist 1827 tatsächlich. Als das Ende der Sklaverei absehbar wurde, versprach auch Sojourner Truths Besitzer, Sojourner im Juli 1826 aus der Sklaverei zu entlassen. Doch als es soweit war, brach er sein Wort und versuchte, das Weggehen Sojourners zu verhindern. Sie sah sich deshalb gezwungen, zusammen mit ihrer jüngsten Tochter, zu fliehen. Ihren Sohn und eine weitere ältere Tochter musste sie aber zurücklassen. In New York fand sie schließlich eine Anstellung als Haushälterin.

Ein Sieg vor Gericht, der Geschichte schreibt

Kurz nach ihrer Flucht erreichte sie eine schockierende Nachricht: Ihr Sohn Peter, fünf Jahre alt, war gesetzeswidrig von ihrem ehemaligen Besitzer in den Sklavenstaat Alabama verkauft worden. Anstatt dies hinzunehmen, wagte Sojourner, die den Methodisten beigetreten und ihren alten Sklavennamen abgelegt hatte, etwas, das noch kaum ein Schwarzer vor ihr gewagt hatte: Sie zog vor Gericht und gewann – als erste schwarze Frau gegen einen weißen Mann überhaupt. Ihr Sohn Peter musste daraufhin seiner Mutter übergeben werden.

Ein Leben für Gleichberechtigung von Frau und Mann, Weiß und Schwarz

Aber nicht nur für ihren eigenen Sohn setzte sie sich ein. Auch für Frauenrechte und Rechte der schwarzen Minderheit setzte sie sich vehement ein. 1844 trat sie aus diesem Grund der „Northampton Association of Education and Industry“ bei, eine Organisation, die von Abolitionist*innen gegründet wurde und ein breites Reformprogramm vertrat. Innerhalb dieser Reformbewegung machte Sojourner durch für ihre Zeit „radikale“ Ansichten von sich reden: Bedingungslos forderte sie die volle Gleichstellung von Frau und Mann, Schwarz und Weiß – inklusive Wahlrecht für Frauen. Zusammen mit anderen Kämpfer*innen gegen die Sklaverei zog sie durch die Städte und hielt öffentliche Reden. Ihre berühmteste Rede, die sie einem breiteren Publikum bekannt machte, hielt sie 1851 bei der Ohio „Women’s Rights Convention“. Unter dem Titel „Ain’t I a woman?“ rief sie lautstark zu Gleichberechtigung auf:

"I am a woman's rights. I have as much muscle as any man, and can do as much work as any man. I have plowed and reaped and husked and chopped and mowed, and can any man do more than that? I have heard much about the sexes being equal. I can carry as much as any man, and can eat as much too, if I can get it. I am as strong as any man that is now. As for intellect, all I can say is, if a woman have a pint, and a man a quart – why can't she have her little pint full? You need not be afraid to give us our rights for fear we will take too much, – for we can't take more than our pint'll hold." (Variante nach Robinson, 1851)

Das machte Eindruck: 1864 wurde Sojourner nach Washington DC eingeladen und hatte dort die Möglichkeit, mit Präsidenten Abraham Lincoln zu sprechen und über ihre Anliegen aufzuklären. Mit ihren Überzeugungen war sie aber ihrer Zeit voraus: Erst 1920 durften weiße Frauen in den USA an Wahlen teilnehmen, Schwarze sogar erst nach Aufhebung der Rassentrennung 1965 gleichberechtigt wählen.

1883 verstarb Sojourner in hohem Alter im Kreise ihrer Familie.

Quellen und Hintergründe:





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