Nach dem EuGH-Urteil zur Arbeitszeiterfassung sind alle Arbeitgeber verpflichtet, die Arbeitszeit ihrer Arbeitnehmer systematisch zu erfassen. Insbesondere Unternehmen, die bislang gar kein Zeiterfassungssystem besitzen, stehen vor besonderen Herausforderungen.
Stand: 06.08.2019
Elektronische Geräte und Zeiterfassungs Apps könnnen die genaue Arbeitszeit erfassen. © AdobeStock
Arbeitszeiterfassung klingt für viele nach Stempeluhr und Überwachung, doch die Richter am EuGH hielten die bisherige Praxis, nur die Überstunden zu erfassen, für unzureichend. Der EuGH will mit dem Urteil zur Arbeitszeiterfassung die Grundrechte der Arbeitnehmer auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit durch eine präzise Messung der täglichen Arbeitszeiten schützen.
Das deutsche Recht in § 16 Abs. 2 S. 1 ArbZG sah bis jetzt vor, dass lediglich Überstunden und Mehrarbeit sowie Sonn-und Feiertagsarbeit erfasst werden müssen.
Das Arbeitszeitgesetz ist weiterhin das wichtigste Gesetz hinsichtlich der Dauer und Lage der Arbeitszeit. Das Gesetz zur Arbeitszeit regelt die Begrenzung der Arbeitszeitdauer, den Anspruch auf Ruhepausen und Ruhezeit, die Besonderheiten bei Nacht- und Schichtarbeit sowie das Beschäftigungsverbot an Sonn- und Feiertagen.
Das Arbeitszeitgesetz dient der Sicherheit und dem Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Des Weiteren bezweckt das Arbeitszeitgesetz eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für flexible Arbeitszeiten und den Schutz der Sonn- und Feiertagen als Tage der Arbeitsruhe. Dieses Ziel verfolgt auch das EugH Urteil zur Arbeitszeiterfassung. Alle Antworten auf jetzt aufkommende Fragen klären wir auch in unserem Seminar zu diesem Thema!
Begriff | Arbeitszeit | Arbeitszeit |
---|---|---|
Tatsächlich geleistete Arbeit | ||
Arbeitsbereitschaft | ||
Bereitschaftsdienst | ||
Reisezeit, Lenkzeit | ||
Wegezeiten | ||
Rufbereitschaft | ||
Ruhepausen | ||
Ruhezeiten |
Die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen darf 8 Stunden nicht überschreiten (§ 3 Abs. 1 Satz 1 ArbZG). Somit beträgt die maximale Höchstgrenze der wöchentlichen durchschnittlichen Arbeitszeit 48 Stunden.
Die Arbeitszeit kann auf bis zu 10 Stunden verlängert werden, vorausgesetzt es wurde innerhalb von sechs Kalendermonaten oder 24 Wochen der werktägliche Durchschnitt von 8 Stunden nicht überschritten (§ 3 Abs. 1 Satz 2 ArbZG). Daraus ergibt sich eine Arbeitszeit von 60 Stunden, sofern der entsprechende Ausgleich stattfindet. Sonn- und Feiertage zählen nicht als Ausgleichstag. Ebenso darf nicht der gesetzliche Erholungsurlaub als Ausgleichszeitraum in Betracht kommen. Schwerbehinderte sind nach § 124 SGB IX auf ihr Verlangen von Mehrarbeit zu befreien.
Welche Änderungen bringt das neue EuGH-Urtiel? Was die Länge der Arbeitszeit betrifft, erfolgen keine Änderungen durch die künftige Arbeitszeiterfassung
Die Pausenregelung schreibt vor: Beträgt die Arbeitszeit mehr als 6 Stunden ist die Arbeit durch im Voraus feststehende Ruhepausen von mindestens 30 Minuten zu unterbrechen. Bei einer Arbeitszeit von mehr als 9 Stunden betragen die Ruhepausen mindestens 45 Minuten (§ 4 Abs. 1 Satz 1 ArbZG).
Werden Pausenzeiten durch das neue Arbeitszeitgesetz geändert? Die Pausenzeit ist von der Arbeitszeiterfassung nicht betroffen. Lediglich die genaue Pausenzeit muss aufgezeichnet werden. Dies fördert den Schutz der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, da diese nicht mehr einfach schweigen ihre Pause aufallen lassen können. Selbst Workaholics kommen so nicht mehr um eine Pause herum.
Bei Überstunden gilt: Der Arbeitgeber ist verpflichtet die Arbeitszeit, die über die werktägliche Arbeitszeit hinausgeht aufzuzeichnen. Die Aufzeichnungen der Überstunden sind mindestens zwei Jahre aufzubewahren. Die Darlegungs- und Beweislast liegt beim Arbeitnehmer bzw. der Arbeitnehmerin, und zwar für Erforderlichkeit und Anordnung der Überstunden als auch deren tatsächlichen Erbringung.
Wenn der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin über ihre tatsächliche Arbeitszeit im Unternehmen anwesend ist und der Arbeitgeber bzw. die Arbeitgeberin nicht eingreift, gilt die als Billigung der Überstunden.
Wie werden Überstunden künftig geregeltFür den Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin ist es je nach Arbeitszeitenmodell schwer nachzuvollziehen, wie viele Arbeitsstunden der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin bereits geleistet hat. Daher kann die Änderung durch das Gesetz der Arbeitszeiterfassung dazu beitragen, dass Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen keine unnötigen Überstunden mehr leisten. Außerdem werden Workaholics schneller erkannt und dessen Gesundheit geschützt werden.
Die genaue Pausenzeit muss bei der Arbeitszeiterfassung berücksichtig werden. © AdobeStock
An Sonn- und gesetzlichen Feiertage von 00:00 Uhr bis 24:00 Uhr dürfen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen nicht beschäftigt werden.
In mehrschichtigen Betrieben mit regelmäßigen Tag- und Nachtschichten kann der Beginn oder das Ende der Sonn- und Feiertagsruhe um bis zu 6 Stunden verschoben werden, wenn die folgende Ruhezeit des Betriebes 24 Stunden beträgt.
Wird das Arbeitszeitgesetz Sonn- und Feiertage beeinflussen? Die Regelung ist von der Arbeitszeiterfassung nicht direkt betroffen. Wie bei der Pausenregelung lässt sich hier nur besser nachvollziehen, ob die Regelungen eingehalten werden.
Sind Ruhezeiten vor oder nach der Arbeit betroffen? Auch hier gilt die Arbeitszeiterfassung lediglich als Prüfwerkzeug. Nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit ist eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 11 Stunden einzuhalten (§ 5 Abs. 1 ArbZG). Sonderreglungen gelten bei Rufbereitschaft in Krankenhäusern und anderen Einrichtungen zur Behandlung, Pflege und Betreuung von Personen.
Gemäß §§ 22, 23 ArbZG sind Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz bußgeld- und strafbewehrt. Abweichungen vom Arbeitszeitgesetz können durch die Arbeitszeiterfassung nun schneller entdeckt und verhindert werden! Erfahren Sie in unserem Seminar "Arbeitszeit aktuell", was sich ändert und was Sie beachten müssen!
Grundlage für war ein Fall vor dem EuGH, dort hatte eine Gewerkschaft in Spanien geklagt. In Spanien musste bisher, ähnlich wie in Deutschland, lediglich die Überstunden verzeichnet werden. Die Gewerkschaft argumentierte, nur bei Erfassung aller Stunden lasse sich diese Vorgabe wirklich erfüllen. Sie wollte den spanischen Ableger der Deutschen Bank zur Einrichtung eines Registriersystems für die Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen verpflichten. Die Deutsche Bank hielt dagegen und verwies auf das spanische Recht, dass lediglich die Überstunden festgehalten werden müssen.
Der EuGH entschied zugunsten der Gewerkschaft und formulierte eine Vorgabe an alle EU-Mitgliedsstaaten, Arbeitgeber zu Systemen der Arbeitszeiterfassung zu verpflichten. Andernfalls werde gegen die EU-Grundrechtecharta, die EU-Arbeitszeitrichtlinie und die EU-Richtlinie über die Sicherheit und die Gesundheit der Arbeitnehmer bei der Arbeit verstoßen
Was sind die Auswirkungen des EuGH Urteils? Die Verpflichtung die durch das neue Arbeitszeitenerfassungs-Gesetz zur Erfassung der Arbeitszeit entsteht, ist auf den jeweiligen Tag bezogen und kann nicht unter Bezug auf die Woche oder einen längeren Zeitraum ausgedehnt werden. Das wird unter den heutigen Modalitäten zur Lage der Arbeitszeit, die nicht nur an einem bestimmten Ort im Betrieb, in der Dienststelle, sondern auch auf Reisen, zu Hause oder in der Bahn. absolviert werden kann, das Problem erzeugen, festzustellen, welche Tätigkeiten unabhängig vom Ort ihrer Ausführung oder sonstigen Rahmenbedingungen als Arbeitszeit im Sinne der Rechtsprechung des EuGH gelten und dementsprechend systematisch zu erfassen sind.
Damit fallen die Bearbeitung von E-Mails am Abend, Wochenende, das „Sichbereithalten“ für Telefonanrufe, deren Durchführung z. B. am Abend oder Wochenende, sonstige elektronische Kontaktaufnahmen außerhalb der „üblichen“ Zeiten nicht mehr in die Freizeit, sondern müssen als Arbeitszeit erfasst werden. Die Arbeitszeiterfassung gilt auch für Konzepte der Vertrauensarbeitszeit, da hier allenfalls die Dispositionsmöglichkeiten der Beschäftigten zur Lage der Arbeitszeit ausdehnungsfähig sind, nicht aber die Überschreitung der jeweils geltenden Höchstarbeitszeiten.
Außerdem ist auch zu beachten, dass der EuGH in seinem Urteil vom 14.05.2019 ausdrücklich betont hat, dass auch im Einvernehmen mit dem Beschäftigten eine Überschreitung der auf 48 Wochenstunden begrenzten Arbeitszeit nicht zulässig ist.
Noch ist das EuGH-Urteil zur Arbeitszeiterfassung nicht in nationales Recht umgesetzt. Dennoch besteht bereits jetzt Handlungsbedarf. Das Urteil zur Arbeitszeiterfassung betrifft alle Unternehmen. Zwar können Unternehmen abwarten bis die neue Rechtslage festgelegt wurde, aber es ist davon auszugehen, dass deutsche Arbeitsgerichte sich bei Rechtstreitigkeiten über die Arbeitszeit bereits jetzt auf das EuGH-Urteil beziehen und demensprechend einen Nachweis der Arbeitszeiterfassung fordern.
Gefordert wird von dem EuGH ein objektives, verlässliches, zugängliches und vertrauliches System, mit dem die tägliche (nicht die wöchentliche) Arbeitszeit gemessen werden kann. Das System muss sowohl für Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer zugänglich sein und dennoch vertraulich verarbeitet werden.
Welche Arbeitszeitefassungs-Systeme gibt es bereits? Der Generalanwalt hat auf die parallel bestehenden Möglichkeiten einer papiermäßigen Erfassung, des Einsatzes von Computerprogrammen oder elektronischen Zutrittsausweisen verwiesen.
An festen Arbeitsplätzen besteht die Möglichkeit, dass sich Arbeitnehmer an Terminals im Eingangsbereich oder an ihrem Arbeitsplatz-PC an- und abmelden, um die Arbeitszeit zu erfassen. Auch bei Baustellen besteht durch robuste Terminals diese Möglichkeit der Arbeitszeiterfassung. In Home-Office können Arbeitnehmer sich über ihr Smartphone zum Beispiel über Zeiterfassung-App oder den PC einloggen. Insbesondre Mobile Geräte bieten die Möglichkeit die Arbeitszeiten auch unterwegs zu erfassen.
Tipp: Alle Erfassungssysteme müssen mit der Datenschutzgrundverordnung vereinbar sein.
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